Was suchen wir in anderen Menschen? Was suchen wir in unseren Partnern, Freunden, in der eigener Familie und wenn wir schon dabei sind alle wichtigen Menschen zu erwähnen – in unseren Feinden? Vielleicht noch wichtigere Frage ist – wieso wir es tun? Wieso wir etwas in den anderen suchen brauchen, von ihnen haben wollen und sie nicht einfach nur mögen.
Gerade eben ging ich an einem Kiosk vorbei, da standen zwei Männer, wahrscheinlich mittleren Alters, ihre Gesichter waren schwer zu erkennen. Sie standen im Regen an einem Bahnhofskiosk, an einem Freitagabend, sahen ungepflegt und etwas abgerissen aus, sagten nichts zu einander. Sie sahen wie die Art Menschen, die man oft an den Bahnhöfen antrifft, die nirgendshin zu gehen scheinen, tagsüber unsichtbar sind und abends an den Bahnhöfen auftauchen. Ich frage mich immer wie sie wohl sind und ob da mehr hinter der Fassade steckt, aber ich nehme mir nie die Zeit es heraus zu finden, außerdem, und das ist mit Sicherheit teilweise einfach nur den Vorurteilen zu verdanken, habe ich einwenig Angst vor diesen seltsamen Gestalten.
Einer der Männer hat ein seltsames Geräusch gemacht, als ich an ihnen vorbei ging, das ich zuerst nicht identifizieren vermag. Er hat mir eine Art Luftkuss „zugeworfen“. Ich sah ihn an, fragend, er hat es wiederholt. Der andere hat gegrinst. Ich holte meine Zeitung und beobachtete die Männer einen kurzen Augenblick durch das Fenster.
Ich habe mich gefragt, was ihnen wohl dieses Verhalten bringt. Was suchen sie heute Nacht? Ärger? Unterhaltung? Wollen sie nicht heim? Warten sie auf ihren Dealer? Da sind wieder die Vorurteile.
Auf dem Weg nach Hause fing ich an darüber nachzudenken, was wir in anderen suchen. Wenn man sich mal einen Tag Zeit nimmt und sich ins Cafe setzt und einfach nur die Menschen beobachtet, sieht man viele interessante Dinge. Welche Männer welchen Frauen nachsehen und umgekehrt, wie die Beziehungsdynamik bei dem Paar am Nebentisch ist, wer vor welchem Schaufenster stehen bleibt.
Am zufriedensten sehen die Menschen mit Hunden und Frauen mit Kindern aus. Das sind übrigens auch die einzigen, die ihr Gegenüber auch ansehen, wenn es regnet. Menschen sehen einander seltsamerweise nie an, wenn es regnet. Noch ein Grund Regen zu mögen, man kann endlich allein sein, unbemerkt bleiben. Vielleicht haben diese Menschen in ihren Gegenüber etwas gefunden haben, was in anderen Beziehungen nicht möglich ist.
Pärchen, die vom weiten her harmonisch aussehen, kommen einem etwas gelangweilt und routiniert vor, wenn sie näher kommen.
Nur wenn ein älteres Paar mit einander lacht und so respektvoll und zärtlich sich an den Händen hält, vertraut aber immer noch scheinbar voller Aufregung sich gegenseitig ansieht, dann bleibt mir ein wenig die Luft weg. Sie wissen definitiv etwas, was nicht viele andere Menschen erfahren haben, nicht gefunden haben in dem anderen, in seinem Gegenüber.
Die suchende Blicke der Menschen und das Schweigen des Paares machen mich traurig.
Was suchen die Menschen in einander? Die Schönheit? Die Jugend? Die Macht oder Stärke? Die gleichen Interessen? Wieso gibt es so viele „unglückliche“ Menschen, die das was sie suchen nicht gefunden haben?
Können wir überhaupt selbst entscheiden was wir suchen oder ist es die Biologie, die Werbung, die vorherrschenden Schönheitsideale, die gesellschaftlichen Normen oder der eigene Lebensstil? Wo ich hinblicke, sehe ich Begrenzungen: von „du bist nicht mein Typ“ bis „ich bin Veganer und kann mit einem Vegetarier nichts anfangen“ ist alles dabei. Es mag jetzt nach einem billigen Witz klingen, ist aber todernst. Er verdient zu wenig Geld, sie geht am liebsten Einkaufen, er zieht sich zu schlecht an, sie kann so einen nirgendshin mitnehmen – das ist entscheidend. Und weiter geht’s mit den Begrenzungen: Raucher mag ich nicht, Nichtraucher mag ich nicht, sie lacht komisch, er hat die falschen Freunde, sie ist nicht ehrgeizig genug, er ist viel zu dominant, sie ist zu schrill, er ist unrockbar. Von kleinen Marotten bis zu großen Designermarken ist alles dabei und alles entscheidend. Es ist alles andere einfacher als den Menschen zu sehen oder zu erkennen. Und da ist da noch das Auge. Wir können von Fastfood und Fertigpackungen leben, wo der Inhalt gruseliger ist als das Aussehen, also wieso machen wir es auch in anderen Bereichen unseren Lebens? Was anspricht wird geschnappt, was durch den Suchoptimierten Filter von den Begrenzungen gekommen ist und auf der ersten Ergebnisseite gelandet ist – wird genommen, ausprobiert. Meistens wieder weggeworfen, weil die ganze Suche einfach nichts nützt. Wieso? Solange wir Begrenzungen haben, sehen wir nicht nur die anderen „zusammengefasst“, bereit und passend für eine Schublade, sondern stecken uns selbst rein. Immer bereit und passend.
Suchen wir das was uns selbst fehlt? Wer sucht sich noch einen gleichwertigen Partner, damit man es schön und aufregend miteinander hat? Jemanden, den man noch im Alter, nach all den Jahren von Höhen und Tiefen, von Enttäuschungen, Erfolgen und Veränderungen noch aufregend findet? Wer sucht nach jemandem, mit dem man alles teilen möchte – das Grosse und die Kleinigkeiten? Madonna sing – love is understanding. Was auch immer sie damit meint, die englische Sprache versteht darunter einiges: die Absprache, die Abmachung, die Einsicht, das Einvernehmen, die Intelligenz und schließlich das Verständnis.
Vielleicht ist es alles zusammen, vielleicht hat sie auch Unrecht. Vielleicht verstehe ich die alten Western nicht, weil sie ganz ohne Begrenzungen sind, ohne Labels, ohne Schubladen, wie ein weißes Blatt, nichts an dem man sich festhalten kann, weil da der lange Blick direkt in die Augen, das einzige Kriterium ist.
Suchen wir weil uns etwas fehlt oder weil wir etwas haben wollen, aus Überfluss? Was davon ist erbärmlicher?
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